Bitcoin Vererben Teil 1: ein kleiner Überblick

Grundlagen und erste Praxishinweise

Bitcoin steht für finanzielle Souveränität und Eigenverantwortung. Wer seine Bitcoin in Selbstverwahrung hält, verwaltet sein Vermögen ohne Banken oder Dritte – ein Prinzip, das Freiheit und Kontrolle in die eigene Hand legt. Doch diese Freiheit bringt auch eine Verantwortung mit sich, die über das eigene Leben hinausgeht. Ohne eine durchdachte Nachlassplanung können Bitcoin, die sicher in einer Wallet verwahrt sind, für Erben unerreichbar bleiben.

Ein verlorener Private Key oder eine unauffindbare Seed Phrase kann dazu führen, dass das Vermögen für immer verloren geht.

Viele Bitcoiner haben dies längst erkannt und verwahren ihre Coins selbst. Sie beschäftigen sich intensiv mit Themen wie Sicherheit, Privatsphäre und Selbstverwahrung. Doch oft wird übersehen, was mit dem Vermögen passiert, wenn man stirbt.

Gerade weil Bitcoin für Unabhängigkeit steht, ist es besonders wichtig, frühzeitig Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Menschen, die einem nahestehen. Ohne eine durchdachte Nachlassplanung kann ein sicheres Setup zur Falle werden: Was niemand finden oder bedienen kann, bleibt verloren.

Dieser Guide soll zeigen, wie Bitcoin verantwortungsvoll weitergegeben werden können. Er richtet sich an alle, die ihre Coins in Selbstverwahrung halten – also nicht auf Börsen oder bei Custodians ("Not your keys, not your coins!").

1. Bitcoin im Erbrecht – Die Basics

Warum Nachlassplanung für Bitcoiner besonders wichtig ist

Niemand denkt gerne über den eigenen Tod nach, doch für Bitcoiner ist eine frühzeitige Nachlassplanung unverzichtbar. Bitcoin sind ein einzigartiger Vermögenswert: Sie existieren ausschließlich digital, sind dezentral und  kryptografisch geschützt. Genau diese Eigenschaften machen sie im Erbfall zu einer Herausforderung. Wenn die Bitcoin so sicher verwahrt sind, dass niemand außer dem Besitzer Zugriff hat, stehen Erben vor einem Problem: Ohne den Private Key bzw. die Seed Phrase bleiben die Bitcoin unerreichbar.

Die zentrale Aufgabe besteht darin, eine Balance zwischen Sicherheit (Schutz vor Diebstahl oder Verlust) und Zugänglichkeit (Zugriff für Erben) zu finden. Eine gut durchdachte Nachlassplanung stellt sicher, dass Erben sowohl rechtlich als auch technisch Zugang zu den Bitcoin erhalten, ohne die Sicherheit zu kompromittieren.

Bitcoin-Take: Ohne Nachlassplanung riskiert man, dass Erben nichts von den Bitcoin wissen oder keinen Zugriff darauf erhalten. Ein klarer Plan schützt das Vermögen und die Familie vor Verlust und Konflikten.

Rechtliche Einordnung: Bitcoin als digitaler Nachlass

Bitcoin ist ein immaterieller Vermögenswert und Teil des sogenannten digitalen Nachlasses – ebenso wie E-Mail-Konten, Cloud-Zugänge oder Social-Media-Accounts, der dem deutschen Erbrecht unterfällt.

In Deutschland gilt im Erbfall die sogenannte Universalsukzession. Dies bedeutet, dass die Erben⁠1 automatisch in alle Vermögenspositionen des Verstorbenen (des sog. „Erblassers“) eintreten – also auch in dessen Bitcoin-Bestand.

Juristisch ist dies unkompliziert: Bitcoin werden wie andere Vermögenswerte (z. B. Immobilien oder Bankguthaben) behandelt.

Allerdings existieren Bitcoin nur als Eintrag auf der Blockchain, und der Zugriff erfordert den Private Key oder die Seed Phrase. Ohne diese Schlüssel bleibt das Vermögen faktisch unerreichbar, selbst wenn Erben rechtlich dazu berechtigt sind. Besonders problematisch wird es, wenn niemand von der Existenz der Bitcoin weiß – etwa weil der Erblasser seine Privatsphäre geschützt und nie darüber gesprochen hat.

Bitcoin-Take: Anspruch ist nicht gleich Zugriff. Ohne Private Key oder Seed Phrase bleibt das Vermögen ein Phantom. Eine Nachlassplanung verbindet den rechtlichen Anspruch mit dem technischen Zugriff.

Typische Probleme im Erbfall

Die Selbstverwahrung von Bitcoin bringt im Erbfall spezifische Herausforderungen mit sich. Die häufigsten Probleme sind:

1.     Schlüssel verloren oder unauffindbar

Der Private Key ist verloren oder so gut versteckt, dass ihn niemand findet. Vielleicht wissen die Erben nicht einmal, dass ein Bitcoin-Bestand existiert. Hier gilt, wie in der Selbstverwahrung allgemein: Die richtige Balance zwischen Sicherheit und Zugriff muss gefunden werden.

2.     Technische Überforderung der Erben

Bitcoin erfordern technisches Verständnis, das viele Erben nicht besitzen. Begriffe wie Seed Phrase, Hardware-Wallet oder Blockchain sind für Laien oft unverständlich. Wenn der Erblasser der einzige technisch versierte Bitcoiner war, stehen Erben vor einer unlösbaren Aufgabe. Im schlimmsten Fall suchen sie Hilfe bei Dritten (z. B. in Online-Foren) und geraten an Betrüger, die die Seed Phrase abgreifen.

3.     Streit unter Erben

Erbschaften sind häufig konfliktträchtig, besonders wenn mehrere Erben beteiligt sind. Ohne klare Regelungen entstehen Streitigkeiten um den Zugriff auf Bitcoin. Beispiel: Zwei Geschwister erben Bitcoin, aber nur eines kennt den Standort der Seed Phrase. Wer kontrolliert das Vermögen? Solche Konflikte können nur durch klare Anweisungen vermieden werden.

4.     Fehlende oder unklare Dokument

Selbst wenn die Existenz von Bitcoin bekannt ist, fehlen oft Details: Welche Art von Wallet wird verwendet (Hardware-Wallet, Paper-Wallet)? Wo ist die Seed Phrase? Welche Software ist für die Wiederherstellung nötig? Ohne diese Informationen wird die Übergabe der Bitcoin zu einer Detektivarbeit.

Bitcoin-Take: Die größten Risiken im Erbfall sind verlorene Schlüssel, technische Überforderung und Streit unter Erben. Eine klare Dokumentation und Vorbereitung der Erben können diese Probleme lösen.

2. Erste Handlungsempfehlungen

Um Bitcoin verantwortungsvoll weiterzugeben, muss man die Eigenverantwortung, die Bitcoin mit sich bringen, auch auf den Erbfall ausdehnen. Die folgenden Praxishinweise helfen, Sicherheit und Zugänglichkeit zu vereinen, ohne die Kontrolle über das Vermögen zu gefährden.

Bitcoin in Selbstverwahrung bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Sicherheit (Schutz vor Diebstahl oder Verlust) und Zugänglichkeit (Zugriff für Erben). Ist die Seed Phrase kompromittiert oder verschwunden, kann man nicht einfach die Bank anrufen und ein neues ‚Passwort‘ anfordern. Umgekehrt kann ein zu kompliziertes Setup im Ernstfall dazu führen, dass niemand mehr auf das Vermögen zugreifen kann.

Hier gilt meiner Ansicht nach der Grundsatz: "Keep it straight and simple" (KISS).

Im Grunde ist Eigenverantwortung aber auch immer einer Frage der persönlichen Prioritäten und des Einzelfalls. Deswegen können die nachfolgenden Tipps nicht mehr als ein Denkanstoß sein. Die richtige Balance zwischen beiden zu finden, ist leider Teil der Eigenverantwortung und jede Vereinfachung der Zugänglichkeit verringert in gewissem Maße auch die Sicherheit.

Vertrauensperson informieren und Angehörige schulen

Auch wenn man den Bitcoin-Besitz (und insbesondere dessen Höhe) nicht öffentlich machen möchte, sollte man eine Vertrauensperson (z. B. Ehepartner, enger Freund oder Familienmitglied) einweihen. Diese Person benötigt keinen direkten Zugriff auf die Bitcoin, sollte aber:

  • Wissen, dass Bitcoin existieren und in Selbstverwahrung gehalten werden.

  • Mit den Grundzügen von Bitcoin vertraut sein, um Erben im Ernstfall zu unterstützen (z. B. bei der Wiederherstellung einer Wallet).

  • Kontaktdaten im Erben-Dokument hinterlegt haben.

Darüber hinaus sollte man Angehörige in die Grundlagen von Bitcoin einführen, um technische Überforderung zu vermeiden. Wichtige Themen sind:

  • Was sind Bitcoin? Eine kurze Erklärung, warum Bitcoin wertvoll sind und wie sie funktionieren

  • Was ist eine Seed Phrase? Erläutern, dass die Seed Phrase (12 oder 24 Wörter) der Schlüssel zur Wallet ist und geheim bleiben muss.

  • Risiken verstehen: Auf Gefahren wie Phishing, unsichere Speicherung oder das Teilen der Seed Phrase hinweisen.

Diese Schulung kann mündlich erfolgen oder schriftlich in einem Erben-Dokument festgehalten werden, das technische Anleitungen enthält (siehe unten).

Bitcoin-Take: Eine informierte Vertrauensperson und geschulte Angehörige verhindern, dass Erben im Ernstfall vor technischen Hürden stehen oder auf Betrüger hereinfallen.Ein solches Erben-Dokument kann die folgenden Informationen enthalten:

Testament erstellen

Ein Testament ist das zentrale Instrument, um Bitcoin rechtlich weiterzugeben. Es schafft Klarheit darüber, wer die Bitcoin erhält, und verhindert Streitigkeiten unter Erben. Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge, was zu einer Erbengemeinschaft führen kann, in der alle Erben gemeinsam über die Bitcoin entscheiden müssen – ein Rezept für Konflikte, insbesondere bei digitalen Vermögenswerten.

Ein Testament sollte enthalten:

  • Bestätigung, dass Bitcoin existieren: z. B. „Mein Bitcoin-Bestand ist Teil meines Nachlasses.“

  • Zuweisung der Bitcoin: z. B. „Mein Sohn Adam erhält 50 % der Bitcoin, meine Tochter Beate 50 %.“

  • Verweis auf das Erben-Dokument: z. B. „Technische Hinweise zur Verwahrung der Bitcoin befinden sich im Erben-Dokument im Bankschließfach Nr. 123.“

Wichtig: Die Seed Phrase oder andere sensible Zugangsdaten (z. B. Hardware-Wallet-PINs) dürfen niemals ins Testament, da dieses auffindbar sein muss und von Erben, Pflichtteilsberechtigten oder Gerichten eingesehen werden kann. Dies würde die Sicherheit der Bitcoin gefährden.

In Deutschland kann ein Testament handschriftlich oder notariell erstellt werden:

  • Eigenhändiges Testament: Muss vollständig von Hand geschrieben, mit Ort und Datum versehen und unterschrieben sein. Beispiel: „München, 20. Mai 2025, [Unterschrift].“

  • Notarielles Testament: Wird professionell formuliert und öffentlich verwahrt, ist aber kostenpflichtig.

Bitcoin-Take: Ein Testament sorgt für rechtliche Klarheit und verhindert Streit. Der Verweis auf ein sicheres Erben-Dokument stellt sicher, dass Erben technisch Zugriff auf die Bitcoin erhalten.

Ein Erben-Dokument erstellen

Ein Erben-Dokument ist ein separates, vertrauliches Dokument, das Erben den technischen Zugriff auf Bitcoin ermöglicht, ohne sensible Informationen wie die Seed Phrase direkt im Testament preiszugeben. Es sollte so gestaltet sein, dass es sicher ist, aber den Erben klare Anweisungen gibt. Die folgenden Best Practice-Regeln helfen, ein sicheres Erben-Dokument zu erstellen:

  1. Seed Phrase niemals direkt aufnehmen
    Die Seed Phrase (12 oder 24 Wörter) darf nicht im Erben-Dokument stehen, da dieses Dokument potenziell von Unbefugten eingesehen werden könnte. Auch hier kann man natürlich abgestuft vorgehen.

    Der Lagerort der passwort-geschützten Hardware-Wallet stellt ein geringeres Sicherheitsrisiko dar als der Lagerort des Seed-Phrase-Backups. Ist die Seedphrase nicht „einfach“ versteckt, sondern anderweitig durch Zugriff geschützt (beispielsweise in einem Bankschließfach), kann eventuell auch dieser Ort angegeben werden:

    • „Die Seed Phrase für Wallet A ist auf einer Stahlplatte im Bankschließfach Nr. 123 bei der XYZ-Bank gespeichert.“

    • „Die Seed Phrase ist in einem Tresor im Arbeitszimmer, die Kombination hat Vertrauensperson Max Mustermann.“


  2. Anleitung zur Wallet-Wiederherstellung
    Das Dokument sollte eine Schritt-für-Schritt-Anleitung enthalten, die Laien erklärt, wie die Wallet wiederhergestellt wird. Einfache und klare Anweisungen verwenden.


  3. Kontakt zu einer Vertrauensperson
    Man sollte Kontaktdaten einer technisch versierten Person angeben, die Erben unterstützen kann, z. B.:

    „Kontaktiere Max Mustermann (max.mustermann@email.com, Telefon: 0123/456789) für technische Hilfe.“ Diese Person sollte nur technische Anleitungen geben und keinen direkten Zugriff auf die Seed Phrase haben.


  4. Sichere Aufbewahrung
    Das Erben-Dokument sollte an einem sicheren, aber erreichbaren Ort aufbewahrt werden, z. B.:

    • In einem Bankschließfach, dessen Zugang im Testament geregelt ist.

    • Bei einem Notar, der das Dokument nach dem Tod freigibt.

    • In einem Tresor zu Hause, dessen Kombination einer Vertrauensperson bekannt ist.


  5. Bitcoin Basics für Laien.

    Wie oben bereits erwähnt, unterschätzen viele Bitcoin die technische Überforderung mit Bitcoin. Bitcoin Grundzügen können hier – in einfachen Worten – erklärt werden (z. B. „Die Seed Phrase ist eine Liste von 12/24 Wörtern. Die Software XYZ wird zur Wiederherstellung benötigt. Die Phrase darf niemals digital eingegeben werden.“).

Bitcoin-Take: Das Erben-Dokument ist der Schlüssel, um Erben den Zugriff auf Bitcoin zu ermöglichen. Es sollte klare Anweisungen enthalten, aber niemals die Seed Phrase selbst. Regelmäßige Aktualisierung und ein Testlauf mit der Vertrauensperson stellen sicher, dass es funktioniert.

Grundzüge sicherer Verwahrung etablieren

Die sichere Verwahrung von Bitcoin ist die Grundlage für eine erfolgreiche Nachlassplanung. Man sollte die folgenden Best Practices beachten:

  • Hardware-Wallet verwenden: Bitcoin auf einer Hardware-Wallet speichern, um sie vor Angriffen zu schützen.

  • Seed Phrase physisch sichern: Die Seed Phrase auf einer feuer- und wasserfesten Steel Wallet (z. B. aus Metall graviert) speichern und an einem sicheren Ort verwahren.

  • Multisig-Wallets in Betracht ziehen: Ein 2-aus-3-Multisig-Schema, bei dem zwei von drei Schlüsseln für eine Transaktion benötigt werden, erhöht die Sicherheit und erleichtert die Nachlassplanung. Anbieter wie Casa oder Unchained Capital bieten Unterstützung für Multisig-Lösungen.

  • Regelmäßige Überprüfung: Die Verwahrungslösung (z. B. Wallet, Seed Phrase, Aufbewahrungsort) jährlich überprüfen und aktualisieren, um Änderungen (z. B. neue Wallets) zu berücksichtigen.

Bitcoin-Take: Eine sichere Verwahrung ist der erste Schritt, um Bitcoin im Erbfall zugänglich zu machen. Multisig-Wallets bieten zusätzliche Flexibilität, erfordern aber technisches Wissen.

3. Fazit: Verantwortung über den Tod hinaus

Bitcoin verkörpern Freiheit, aber auch die Verantwortung, diese Freiheit zu sichern – für sich selbst und für die nächste Generation.

Ohne Nachlassplanung riskiert man, dass das Vermögen verloren geht oder Familien belastet werden. Mit den richtigen Schritten – einer informierten Vertrauensperson, einem sicheren Erben-Dokument, einem klaren Testament, geschulten Angehörigen und einer robusten Verwahrung – kann man Bitcoin verantwortungsvoll weitergeben.
Wer Bitcoin besitzt, ist nicht nur Souverän über sein Vermögen, sondern auch Hüter für die Menschen, die nach einem kommen. Jetzt handeln heißt, diese Verantwortung wahrzunehmen.

4. Recap: Die wichtigsten Punkte

  • Warum Nachlassplanung? Bitcoin erfordern Eigenverantwortung. Ohne Planung drohen Verlust oder Konflikte.

  • Rechtliche Lage: Bitcoin sind immaterielle Vermögenswerte, die automatisch auf Erben übergehen, aber der Zugriff erfordert den Private Key oder die Seed Phrase.

  • Typische Probleme: Verlorene Schlüssel, technische Überforderung, Streit unter Erben, fehlende Dokumentation.

  • Handlungsempfehlungen:

    • Eine Vertrauensperson informieren, ohne Seed Phrase preiszugeben.

    • Ein sicheres Erben-Dokument mit Verwahrungshinweisen erstellen (z. B. Bankschließfach, Notar).

    • Ein rechtssicheres Testament gestalten, ohne Seed Phrase.

    • Angehörige in Bitcoin-Grundlagen schulen.

    • Seed Phrase physisch sichern (z. B. auf Metall, in einem Tresor).

    • Optional: Einen Testamentsvollstrecker einsetzen und Multisig-Wallets nutzen.